Jens Jäger
Black Box Colour
Editorial
Erschienen in: Fotogeschichte, Heft 163, 2022
Man kann sich dem Problem „Farbe“ in der Fotografie auf vielerlei Weise nähern. Bislang am häufigsten wird die technikhistorische beschritten: Wann wurden die naturwissenschaftlichen und praktischen Grundlagen der Farbfotografie geschaffen und von wem? Wann wurden die komplexen chemischen Probleme gelöst, wann die produktionstechnischen? Eingeschlossen sind hierbei auch Formen des Nachkolorierens schwarzweißer Fotografien. Das alles lässt sich mehr oder weniger ausführlich in Büchern zur allgemeinen Fotografiegeschichte nachlesen.[1] Freilich sind Entwicklungen nach der Erfindung des Farbumkehrfilms (Kodak 1935 und Agfa 1936) dann weniger intensiv beschrieben.
Die Anzahl an Monografien zur Geschichte der Farbfotografie ist überschaubar,[2] ähnlich wie die Menge an Ausstellungen, die sich dem Phänomen in seiner Gesamtheit widmeten. Selten wird das Verhältnis zwischen Schwarzweiß- und Farbfotografie in Publikationen ausgewertet. Eine Ausnahme bildet hier z.B. eine Arbeit von Catherine Lutz und Jane Collins, die Anfang der 1990er Jahre die Fotografien, die in National Geographic 1950 bis 1986 erschienen sind, auch unter diesem Aspekt betrachtet haben.[3] Sie kommen zu dem Ergebnis, dass vor allem „Rituale“ indigener Gesellschaften tendenziell eher in Farbfotografien abgebildet wurden und schließen: „color is the vehicle of spectacle“,[4] was auf deren emotionale und realitätserzeugende Effekte verweist. Darauf wird später noch einmal zurückzukommen sein. Erst seit Kurzem scheint sich die Debatte etwas auszuweiten, wofür die Anthologie The Colors of Photography als Beispiel stehen mag[5] und der Beitrag von Steffen Siegel in diesem Heft, der darauf verweist, dass Fotografie nie in die Dichotomie Schwarzweiß-Farbe zerfallen ist, wohl aber der Diskurs über sie seit 1839.
Eine Rolle spielt „Farbe“ zwar selbstverständlich in Arbeiten über Fotografen und Fotografinnen, die diese Technik intensiver verwendeten, z.B. bei Harry Callahan (1912–1999), der seit den 1940er Jahren damit arbeitete und dann vor allem bei zeitgenössischen Fotografinnen und Fotografen. Hier ist die personalisierte, werkimmanente Rezeption und Analyse der entscheidende Faktor. Ähnliches gilt auch für die Farbverfahren, mit denen im Rahmen der ästhetischen Strömung „Kunstfotografie“ (Piktorialismus) um 1900 experimentiert wurde.[6] Hier sind es allerdings Abzugs- und Druckverfahren, die im Mittelpunkt stehen und weniger die fast zeitgleich entwickelten Farbverfahren, die mit Adolf Miethe (Dreifarbenfotografie) 1902–1904 (Abb. 1) und den Gebrüdern Lumière (Autochrom) 1903–1907 verbunden werden. Kurz: Das Thema „Farbfotografie“ in umfassender historischer, ästhetischer und kultureller Hinsicht ist bislang ein Stiefkind (nicht nur) von Fotogeschichte und -theorie wie auch der Kunstgeschichte der Fotografie. So gilt ganz allgemein gesprochen noch immer Michel Frizots Wort von 1998, dass ihre Geschichte und Ästhetik „bis heute nur bruchstückhaft erfasst“ sei.[7]
Relativ verlässlich finden sich Ausnahmen – von den Arbeiten zu FarbfotografInnen abgesehen – nur bezüglich der Pionierleitungen. So bilden Forschungen zum Autochrom-Verfahren der Gebrüder Lumière, das bereits 1903 patentiert 1907 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, ein etwas umfassenderes Korpus.[8] Die Gebrüder Lumière entwickelten eine farbsensitive Negativplatte (Kornrasterverfahren), die mit jeder gängigen Kamera benutzt werden konnte. Die Negative ergaben durch Umkehrentwicklung oder erst durch nochmaliges Kopieren auf eine weitere Autochromplatte Diapositive. So ermöglichte das Autochrom-Verfahren lediglich Unikate (Glaspositive), die sich einzeln betrachten ließen. Als Projektionen erlaubten sie aufgrund der Körnigkeit der Schicht nur geringe Vergrößerungen. So erscheint das Verfahren als elitär und teuer und somit randständig. Dennoch wurden auch Abbildungen von Autochromen in zeitgenössischen Illustrierten[9] oder als Postkarten veröffentlicht; indes war hierfür eine Rasterung der Aufnahmen und komplexe Mehrfarbdruckverfahren notwendig. Die Forschung konzentriert sich aber kaum auf die Vervielfältigungsversuche, sondern befasst sich vor allem mit den Glaspositiven.
Noch vor den Brüdern Lumière gelang es dem Berliner Fotochemiker Adolf Miethe 1902–1904 ein kommerzielles farbfotografisches Verfahren zu lancieren, das in der Handhabung zwar mühseliger war als die damals gängige Fotografie, da drei Platten durch je verschiedene Farbfilter belichtet werden mussten (additives Verfahren),[10] aber letztlich war es doch praktikabel. Abgesehen von den hohen Preisen für das Negativmaterial und die längeren Belichtungszeiten, glichen sich Lumières und Miethes Verfahren darin, dass damit keine Abzüge hergestellt werden konnten. Die Aufnahmen nach Miethes Verfahren mussten entweder in einem kleinen Betrachtungsapparat (Chromoskop) eingelegt und durch Farbfolien übereinander projiziert werden oder über einen entsprechenden Projektor auf eine geeignete Oberfläche „geworfen“ werden. Da ihre Körnigkeit erheblich feiner war als bei Autochromen, ließen sie sich sehr gut vergrößern – bis auf 30 oder 40 Quadratmeter. [11] Zudem konnten die drei Negativplatten auch als Druckvorlagen für Farbauszüge verwendet und in einem aufwändigen Druckverfahren vervielfältigt werden (vgl. Abb. 1) während von Autochromen in einem gesonderten Schritt diese Auszüge erst erstellt werden mussten. Daher ergab sich – neben den höheren Kosten – für Berufsfotografen eine nur eingeschränkte Verwendbarkeit, was beide Verfahren wenig attraktiv machte. Die bei weitem größere Verbreitung des Autochrom-Verfahrens in Amateurkreisen sowie ein starker anglo-amerikanischer und französischer Fokus auf die Fotografiegeschichtsschreibung haben in der Rückschau dazu geführt, die Farbfotografie bis in die 1930er Jahre hinein beinahe synonym mit dem Lumière’schen Verfahren erscheinen zu lassen. Konkurrierende Verfahren, wie das Miethe’sche, welches die gedruckte Farbfotografie im deutschen Sprachraum von 1902/04 (Abb. 2) bis weit in die 1920er Jahre dominierte, werden dagegen fast ignoriert und der Themenkomplex „Farbe“ also auch hier nur eingeschränkt gewürdigt.
Es lässt sich einstweilen nur spekulieren, warum dies so ist. Die relative Abwesenheit von Farbe in der kulturwissenschaftlichen Forschung über Fotografie verwundert nämlich, weil das Thema in der Kunstwissenschaft, die wesentlich die Fotografiegeschichte beeinflusst hat, immer implizit und explizit verhandelt wurde. Auch in der Ästhetik findet sich eine Auseinandersetzung mit Farbe (in vielen Spielarten von Physiologie und Psychologie ohnehin). Zentrale Aspekte sind hierbei Fragen nach Harmonie und Realitätseffekt wie nach den emotionalen Qualitäten farbiger Darstellungen.[12] Beide Anregungen sind von Fotografiegeschichte und -theorie nicht (oder nur sehr rudimentär) aufgenommen worden. Zum einen sicherlich, weil die ersten Jahrzehnte der Fotografie wesentlich durch das Schwarzweiß geprägt waren; zum andern aber auch, weil die Bereiche, in denen Farbfotografie sich zuerst durchsetzte, grundsätzlich wenig Aufmerksamkeit in der Forschung fanden. So in der „angewandten“ Fotografie, die alle Bereiche der Verkaufsförderung und PR abdeckt,[13] in der illustrierten Presse sowie – ganz umfassend – in der privaten und Amateurfotografie; ab den 1950er und 1960er Jahren zunächst fast flächendeckend mit dem Farbdia und etwas zeitversetzt mit dem Farbnegativfilm und den entsprechenden Farbpositiven, die in den 1970er Jahren merklich aufholten und nach und nach den Schwarzweiß-Film im Knipserbereich fast vollständig verdrängten.
Aber auch in besser untersuchten Bereichen fotohistorischer Forschung, bei denen der Wandel zur Farbe bedeutsam war, so etwa bei Untersuchungen zur der deutschen Propagandafotografie im Zweiten Weltkrieg, sieht es nur bedingt besser aus.[14] Ohne diese Reihe weiter zu vertiefen, drängt sich der Eindruck auf, dass Fotografiegeschichte als ein Kontinuum aus Schwarzweiß-Perspektive angesehen wird, die durch Farbe zwar ergänzt aber nicht substanziell verändert worden ist. Entsprechend nahm und nimmt auch die Fototheorie kaum ausführlicher zur Farbe in der Fotografie Stellung.[15] In der Bildsemiotik ist Farbe zwar als Bedeutungsträger erkannt[16] und etabliert, aber wenig selbst Gegenstand eingehender Überlegungen. Selbst in den neueren Überblicken zur Fotografiegeschichte im deutschen Sprachraum bleibt „Farbe“ als Thema rudimentär: Bei Boris v. Brauchitsch beschränkt sich der Abschnitt „Eine neue Zeit: Fotografie in Farbe“ auf Angaben zur technischen Entwicklung, der aber z.B. Miethes Verfahren nicht einmal erwähnt.[17] In Wolfgang Kemps konziser Einführung verliert sich ein gesonderter Absatz zur Farbe, der zwar die „gravierende Veränderung“ konstatiert, aber damit schließt, dass sie gegenwärtig „kein Thema“ mehr sei: „Farbe ist die Norm, Schwarzweiß die Abweichung.“[18] In Fotogeschichte und -theorie ist es gerade umgekehrt – Schwarzweiß ist die Norm, Farbe die Abweichung.
Diese Sichtweise hat in der Fototheorie wohl dazu geführt, die technische Wende zur Farbe eher beiläufig zu betrachten. Konsequenz war, dass Farbe in der Fotografie an sich für viele Theoretiker – interessanterweise auch bei jenen, die Zeitzeugen dieser Verschiebung in den 1950er bis 1980er Jahren waren – kaum die generellen Überlegungen zur Fotografie beeinflusst hat.[19] Wolfgang Kemp vermutet: „[I]n der Welt der avancierten Fotografie war Farbe bis in die 70er Jahre ‚vulgär’“[20]. Von diesem Standpunkt aus verbat sich die Beschäftigung damit offenbar, zumal es eine Rolle spielte, dass Farbfotografie vor allem in Werbung und populärer Kultur anzutreffen war, nicht (oder nur wenig) in ambitionierter und künstlerischer Praxis. Hier lassen sich vielleicht Parallelen zum Kino wie zur Farbe in der Pressefotografie ziehen. [21] Es zeichnet sich ein Muster ab, das Farbe im Grundsatz eher abwertete oder in einen Bereich verortete, der als (zu) kommerziell und populär angesehen wurde, mithin als wenig ernsthafte Auseinandersetzung mit den jeweiligen Medien und ihrer Ästhetik galt. Es bedurfte der Neuorientierung, etwa in den Visual Culture Studies und verwandten Disziplinen, um auch Massenphänomenen, privater Praxis und kommerziellen Anwendungen gegenüber mehr Aufmerksamkeit zu schenken.[22] Fototheorie und -geschichte, die sich an Praktiken orientierte, die als seriös oder ästhetisch reflektiert, mithin künstlerisch galten, war daher auf dem farbigen Auge „blind“, zumal in der einschlägigen Literatur wenig dazu zu finden war (und ist).
Eine neue Qualität der Debatte oder neue Fragen hat „Farbe“ jedenfalls lange nicht aufgeworfen. Dem widerspricht aber die ausgedehnte zeitgenössische Debatte um Farbfotografie gerade um 1900 und die Rezeption der ersten praktikablen Verfahren. Die zeitgenössische Fachpresse ist voller Meldungen, Artikel und Beobachtungen zu den Fortschritten in der Technik, wie sich kursorisch aus einer schnellen Übersicht aus den Jahrgängen zwischen 1900 und 1914 wichtiger Fachblätter, wie den Photographischen Mitteilungen, der Zeitschrift für Reproduktionstechnik, der Photographischen Rundschau, im Jahrbuch für Photographie und Reproduktionstechnik, dem Bulletin de la Societé Française de Photographie oder auch im Photographic Journal nachweisen lässt. Wenngleich zahlreiche Mitteilungen vor allem um die Technik kreisten, wurden auch Überlegungen zur Qualität und Ästhetik angestellt. So äußerte sich Adolf Miethe bereits 1904 zu den ästhetischen Möglichkeiten und Spezifika von Farbfotografie.[23] Der britische Astronom, Chemiker und Amateurfotograf W. de W. Abney (er nutzte einen nicht näher erwähnten Prozess mit drei farbsensitiven Negativen – möglicherweise Miethes Verfahren) schrieb z.B. 1905 im Photographic Journal, dass die Farbigkeit, die Nuancen, Gegenstände abbildungswürdig machten, die sonst eher keine Aufmerksamkeit fänden.[24] Dass sich Fotografie insgesamt durch die neue Technik verändern würde, stand für die Zeitgenossen außer Frage. Auch waren Amateure um 1900 präsenter in der publizistischen Begleitung neuer Verfahren. Immerhin erlaubte ihnen das Autochrom-Verfahren ja durchaus praktische Anwendungen (im Gegensatz zu Miethes Verfahren) und das wurde auch reflektiert.[25]
Worum kreisten die Überlegungen zur Farbfotografie vor dem Ersten Weltkrieg? Erstens erzeugte die neue Erfahrung von „natürlicher“ – d.h. fotografisch optisch-chemisch wiedergegebener – Farbe tatsächlich einen zeitgenössisch so empfundenen (und auch gegenwärtig wirksamen) „Realitätsschub“; sie ließ Schwarzweißbilder dagegen defizitär erscheinen. Farbe stellte zudem nochmals die Frage nach den gestalterischen Möglichkeiten am Bild, wenngleich die Rede von den „natürlichen“ Farben zunächst nahe zu legen scheint, dass FotografInnen hier noch weniger Einfluss hätten. Aber: Licht- und Schattenverhältnisse, Formen, Übergänge, perspektivische Ordnung, Bildausschnitt usw. erweiterten in Farbaufnahmen die gestalterischen Möglichkeiten (vgl. Abb. 2). Adolf Miethes Überlegungen zu den ästhetischen Eigenheiten zeigen ein deutliches Bewusstsein für die neuen und anderen ästhetischen Möglichkeiten mit Farbe: Stimmungen, Farbnuancen und Kontraste, Erweiterung der Motivpalette; auch verweist er auf Änderungen in der fotografischen Praxis, wenn er Objektive mit größerer Brennweite empfiehlt.[26]
Unabhängig von ästhetischen Erwägungen bildete der gesteigerte Realitätseffekt einen wichtigen Aspekt der Rezeption. Weil Farbigkeit weit mehr der alltäglichen Seherfahrung entspricht als die Schwarzweiß-Fotografie mit ihren zwar unendlichen Nuancen von weiß bis tiefschwarz, doch Farbfotografie war eben mehr als eine Variante von Schwarzweiß. Für das Publikum zeigte sich die Farbaufnahme – gerade in der Projektion – mehr als die schwarzweiße Abbildung als realitätsnahe Simulation. Medientheoretisch lässt sich das Argument weiter verfeinern. Dazu kann der Begriff der Immersion verwendet werden. Immersion bezeichnet das Eintauchen von MediennutzerInnen in ein mediales Angebot, welches die Grenzen zwischen virtueller und tatsächlicher Realität verschwimmen lässt. Die der Farbe zugeschriebenen emotionalen Qualitäten bilden einen wichtigen Bestandteil des Effekts.[27] Wenngleich der Begriff vor allem im Zusammenhang mit Virtual reality, d. h. mit digitaler Technik verwendet wird, ist er auch geeignet, die besonderen Eigenheiten von Farbfotografie zu beschreiben. Gerade die BetrachterInnenperspektive erscheint mir hier entscheidend. Die Überraschung einer farbigen Fotografie, die nicht nachträglich koloriert war, dürfte in der Frühzeit der Farbfotografie wichtig gewesen sein. Das Publikum war an schwarzweiße Fotografien gewöhnt, die Rezeption von Fotografie daran geschult. Überraschung verstärkt eine emotionale Antwort auf das Bild. Die Übereinstimmungen zwischen alltäglicher Seherfahrung und der medialen Erfahrung farbiger Fotografie erzeugt also verstärkte Erfahrungen des Involviert-Seins und des Sich-hineinziehen-Lassens.[28] Auch der Einsatz von Farbfotografie in Werbung, PR und Propaganda verweist auf diesen Zusammenhang, da sie allesamt auf emotionale Wirkung zielen. Auch die eingangs zitierte Überlegung von Lutz und Collins, dass Farbe das Mittel der Wahl darstelle, um „Spektakel“ zu vermitteln, weist in diese Richtung.[29] Da in der Theorie immer wieder betont wird, dass es unterschiedliche Grade von Immersion gibt, nehmen wir hier an, dass Farbfotografie eine gesteigerte und emotionalisierte Form der (medial vermittelten) Realitätserfahrung darstellt. Farbfotografie zieht demnach die BetrachterInnen mehr in das Bild hinein, erhöht den Eindruck den Raum selbst zu erleben. Wichtig ist hier, das Argument nicht zu stark zu strapazieren. Auch Farbfotografien lösen die Grenze zwischen Bild und Realität nicht auf, erhöhen aber die Autorität und möglicherweise die Wirkung der Darstellung.
Allgemein ist Farbe zudem selbst Bedeutungsträgerin, auch jenseits ihres Realitätseffekts. Neben dem symbolischen Charakter einzelner Farbwerte[30] können so auch Stimmungen hervorgerufen werden. So spricht Michel Frizot davon, dass die spezifische Farbwiedergabe einzelner Verfahren (Autochrom oder Technicolor) Stil und Atmosphäre einer Epoche kennzeichneten.[31] Zusammen mit der Frage nach dem immersiven Charakter der Farbfotografie könnte so ein Weg gewiesen werden, eingehender ihre Spezifika und kulturelle Bedeutung zu erschließen. Indes erfordert das noch intensivere fotohistorische Forschungen nach Techniken und deren Verbreitung, nach kulturellen Zusammenhängen und Diskursen, die über das bislang geleistete hinausweisen. Die nachfolgenden Beiträge möchten hierzu einen Beitrag leisten, indem sie sich den ersten praktikablen und kommerziell genutzten Verfahren der Farbfotografie zuwenden.
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[1] Z.B. Wolfgang Baier: Quellendarstellung zur Geschichte der Fotografie, München 1980; Josef Maria Eder: Geschichte der Photographie, 4., überarb. u. erw. Aufl., Halle/S. 1932; Michel Frizot (Hg.): Neue Geschichte der Fotografie, München 1998.
[2] Brian Coe: Colour Photography: the first hundred years 1840–1940, London 1978 (deutsch unter dem Titel Farbphotographie und ihre Verfahren. Die ersten hundert Jahre in natürlichen Farben, Bindlach 1986); Jack Coote: The Illustrated History of Colour Photography, London 1993; mit Fokus auf Frankreich: Laura Anne Kalba: Color in the age of impressionism: commerce, technology, and art, University Park (PA) 2017.
[3] Catherine A. Lutz / Jane L. Collins: Reading National Geographic, Chicago 1993.
[4] Ebenda, S. 94.
[5] Bettina Gockel (Hg.): The Colors of Photography (Studies in Theory and History of Photography 10), Berlin-Boston 2021. Die Aufsätze sehen das Phänomen einerseits umfassender im Sinne der Rolle und Bedeutung von Farbe/Farbigkeit, andererseits liegt der Fokus stark auf Nordamerika.
[6] Vgl. hier lediglich das Piktorialismus-Portal, das aus einer Initiative der Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin entstand und seit 2014 online ist: Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Piktorialismus-Portal 2014: http://piktorialismus.smb.museum/index.php (Zugriff: 11.10.2021).
[7] Michel Frizot: Eine natürliche Künstlichkeit. Die Hypothese der Farbe, in: Ders. (Hg.): Neue Geschichte der Fotografie, Köln 1998, S. 418.
[8] Nathalie Boulouch: La photographie Autochrom en France (1904–1931), Thèse de doctorat, Paris 1994; Caroline Fuchs: Das Autochrom in Großbritannien. Revolution der Farbfotografie (Studies in Theory and History of Photography 9), Berlin-Boston 2017; Nathalie Boulouch: The documentary use of the Autochrom in France, in: History of Photography, 18. Jg., Heft 2, 1994, S. 143–145; Nathalie Boulouch / Arno Gisinger : "Der große Erfolg der Autochrom-Platten liegt in ihrer Projektion." Das projizierte Bild als privilegierte Präsentationsform früher Farbfotografie, in: Fotogeschichte,19. Jg.,Heft 74, 1999, S. 45–58; Boris v. Brauchitsch: Kleine Geschichte der Fotografie, Stuttgart 2002, S. 87–90; Kalba (2017), (Anm. 2); David Okefuna: The Dawn of the Color Photograph. Albert Kahn’s Archives of the Planet, Princeton-Oxford 2008; Ulrich Pohlmann: Der farbige Krieg. Anmerkungen zum gedruckten Farbfoto 1938 bis 1945, in: Fotogeschichte, 25. Jg., Heft 98, 2005; Franziska Maria Scheuer: Bilder für den Frieden. Gestaltung und historischer Gebrauch der Autochrome der Sammlung Les Archives de la planète (1908–1931), in: Fotogeschichte, Jg. 33, Heft 129, 2013.
[9] Das erste Mal zur Illustration des folgenden Artikels, der anlässlich der öffentlichen Präsentation des Verfahrens der Gebr. Lumière erschien. Léon Gimpel: La photographie des couleurs à L’Illustration, in: L’Illustration, 15.6.1907, S. 387–389; Jean Paul Perrin : o.T., https://www.lillustration.com/1907-1910_a157.html (Zugriff: 11.10.2021).
[10] Jens Wagner: Die additive Dreifarbenfotografie nach Adolf Miethe. Untersuchung des Verfahrens und Wege zur Wiedergabe von Dreifarbendiapositiven, Dipl. Arbeit TU München 2006.
[11] Vietinghoff-Scheel: Bilder in natürlichen Farben, in: Berliner Tageblatt, 3. März 1903 [Abendausgabe], S. 1.
[12] Vgl. hier lediglich einleitend: J. Cage: Colour and Culture: Practice and Meaning from Antiquity to Abstraction, London 1993; Charles A. Riley II, Color in the Arts, in: Encyclopedia of Aesthetics, 2nd ed. Oxford 2014; C. L. Hardin: Color in Science, in: Encyclopedia of Aesthetics, 2nd ed. Oxford 2014; Gillian Rose: Visual Methodologies, 4. Aufl. Los Angeles, London, New Delhi u.a. 2016, S. 64–66.
[13] Vgl. die kurzen Ausführungen bei Marie Warner Marien: Photography: A Cultural History, 2. überarb. Aufl. London, S. 354–359 und 415–417.
[14] Vgl. zuletzt Jens Jäger (Hg.): Themendossier: Propagandafotografie: https://visual-history.de/2020/02/12/themendossier-propagandafotografie/ (Zugriff: 11.10.2021), wie Studien zu Illustrierten, darunter „Signal“, deren herausragendes Merkmal – neben der überaus modernen Aufmachung – die farbfotografischen Bildstrecken waren; vgl. Rainer Rutz: Signal. Eine deutsche Auslandsillustrierte als Propagandainstrument im Zweiten Weltkrieg, Essen 2007.
[15] Peter Geimer: Theorien der Fotografie. Zur Einführung, Hamburg 2009; Bernd Stiegler: Theoriegeschichte der Photographie, München 2006. Auch in der umfassenden Anthologie von Wolfgang Kemp / Hubertus v. Amelunxen (Hg.): Theorie der Fotografie (Bd. I–IV 1839–1995), München 2006 findet sich kein Beitrag, der sich ausschließlich mit dem Komplex „Farbe“ auseinandersetzt.
[16] Vgl. hier als Eingangstext lediglich Roland Barthes: Rhetorik des Bildes [1964], in: Kemp / Amelunxen (2006) III, S. 138–149, (Anm. 15).
[17] Brauchitsch (2002), S. 87–90, (Anm. 8).
[18] Wolfgang Kemp: Geschichte der Fotografie. Von Daguerre bis Gursky, München 2011, S. 98. Farbe kommt bei Kemp erst in seiner Darstellung zu den 1970er Jahren vor.
[19] Bzw. die Konsequenzen nicht absehbar waren: „Die Farbe z.B. fängt gerade an, sich als fotografischer Wert geltend zu machen“, so lapidar Dorothea Lange und Daniel Dixon 1952: Dies. Das Vertraute fotografieren, in: Aperture, 1. Jg., Heft 2, 1952, S. 4–15. Zit. nach Amelunxen/Kemp, (Anm. 15), S. 74. Ganz ähnlich Otto Steinert: Über die Gestaltungsmöglichkeiten der Fotografie (1955), in: Ebda., S. 87f.
[20] Kemp (2011), S. 98, (Anm. 18).
[21] In der Filmforschung findet Farbe jedoch mehr Berücksichtigung, vgl. Susanne Marschall: Farbe im Kino, Marburg 2005; Wendy Everett: Questions of Colour in Cinema. From Paintbrush to Pixel, Oxford 2007, Richard Misek: Chromatic Cinema. A History of Screen Color, Malden (MA) 2010. Mirco Melone: Zwischen Bilderlast und Bilderschatz. Pressefotografie und Bildarchive im Zeitalter der Digitalisierung, Leiden, Boston, Singapur 2018, S. 59.
[21] So entwickelten sich die „Media Studies” (Medienwissenschaften) ab den späten 1960er Jahren, „Visual Culture Studies“ formierten sich eigentlich erst zum Ende des 20. Jahrhunderts, wenngleich sie ihre Ursprünge auf die 1920er und 1930er Jahre zurückführen. Vgl. auch Rose (2016), S. 64–66, (Anm. 12).
[21] W[illiam]. de W[iveleslie]. Abney: Why not take three-colour photographs?, in: Photographic Journal, 45. Jg., 1905, S. 280.
[22] So entwickelten sich die „Media Studies” (Medienwissenschaften) ab den späten 1960er Jahren, „Visual Culture Studies“ formierten sich eigentlich erst zum Ende des 20. Jahrhunderts, wenngleich sie ihre Ursprünge auf die 1920er und 1930er Jahre zurückführen. Vgl. auch Rose (2016) S. 64–66, (Anm. 12).
[23] Adolf Miethe: Dreifarbenphotographie nach der Natur, Halle/S. 1904, S. 75–82.
[24] W[illiam]. de W[iveleslie]. Abney: Why not take three-colour photographs?, in: Photographic Journal, 45. Jg., 1905, S. 280.
[25] Vgl. als eine der bekanntesten Äußerungen: Eduard J. Steichen: Color Photography, in: Camera Work, 1908, Heft 22, S. 13–24.
[26] Miethe (1904), S. 75–80 (Anm. 23).
[27] Vgl. Lutz/Collins (1993), S. 94, (Anm. 3).
[28] Robin Curtis / Christiane Voss:Theorien ästhetischer Immersion, in: montage AV, 17. Jg., Heft 2, 2008.
[29] Lutz/Collins (1993), S. 94, (Anm. 3).
[30] Charles A. Riley II, Color in the Arts, in: Encyclopedia of Aesthetics, 2nd ed. Oxford 2014.
[31] Frizot (1998), S. 411, (Anm. 7).
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