Simone Förster
Architekt mit Kamera. Eine Wiederentdeckung
Roland Jaeger: Foto-Auge. Fritz Block. Neue Fotografie. Moderne Farbdias, Zürich: Scheidegger & Spiess, 2018, 30 x 23,5 cm, 336 Seiten, 146 Farb-Abbildungen / 355 Duplex-Abbildungen, gebunden, 85 Euro
Erschienen in: Fotogeschichte, Heft 153, 2019
„Klar eindeutig, international verständlich“, so lautete die Devise des Architekten Fritz Block (1889–1955) für die moderne Fotografie. Fritz Blocks Fotografien des Deutschlandhauses in Hamburg sind Architektur- und Hamburghistorikern auch heute noch geläufig. Dass der Architekt sich nicht nur der Darstellung von moderner Architektur widmete, sondern als veritabler Fotograf die Themen seiner Zeit ins Bild brachte, zeigt eine opulente Monografie des Architektur-, Buch- und Fotografiehistorikers Roland Jaeger, die dieses weitreichende fotografische Werk erstmals ausführlich vorstellt.
Vermutlich seiner ursprünglichen Profession als Architekt – die er sehr erfolgreich betrieb, wie die Dissertation von Roland Jaeger über das florierende Architekturbüro Dr. Block & Hochfeld schon 1996 belegte – ist es geschuldet, dass Fritz Block bislang nicht Eingang in die Fotografiegeschichte gefunden hat. Als Architekt fühlte sich Block dem Neuen Bauen verpflichtet. Ausgebildet an den Universitäten in Darmstadt, Karlsruhe, Dresden und München und aktives Mitglied im Bund Deutscher Architekten und im Deutschen Werkbund, gründete er mit Ernst Hochfeld 1921 das Architektenbüro Dr. Block & Hochfeld, über das schon 1925 in der renommierten Buchreihe „Neue Baukunst“ des Gebr. Mann Verlages Berlin eine eigene Monografie erschien.
Das Großprojekt des Geschäfts- und Kinogebäudes „Deutschlandhaus“ mit dynamisch gerundeter Fassade im Stil des Neuen Bauens in Hamburg (1928/1929) markierte einen Wendepunkt in Blocks Karriere. Um den Bauprozesses des Deutschlandhauses zu dokumentieren, begann er als Autodidakt 1929 zu fotografieren. Diese Aufnahmen wurden in sämtlichen deutschen Architekturzeitschriften abgedruckt und auch in Ausstellungen, wie in die „Kunstausstellung Altona“ (1929) mit aufgenommen. Die Fotografie wurde fortan Blocks zweites, wenn auch nicht vorrangig zu Erwerbszwecken betriebenes Standbein und die Kamera begleitete seine Bau- wie auch seine ausgedehnte Reisetätigkeit. Block baut, reist und fotografiert, er schreibt und publiziert zur Architektur, aber er veröffentlicht eben auch zahlreiche Bildberichte zu tages- und zeitaktuellen Themen. Möglicherweise aufgrund einer angeborenen Schwerhörigkeit, so vermutet Roland Jaeger, war gerade seine visuelle Vorstellungskraft besonders ausgeprägt. Die Gestaltungsmittel der modernen Fotografie – des Neuen Sehens und der Neuen Sachlichkeit mit ungewöhnlichen Perspektiven, Nahsichten und konstruktiven Bildkompositionen, wie sie seit der Mitte der 1920er Jahre durch Veröffentlichungen und Ausstellungen propagiert wurden – waren ihm jedenfalls vertraut und kamen in seiner eigenen fotografischen Arbeit zum Einsatz. Er war kein Avantgardist, in seinen Fotografien aber stets auf der Höhe seiner Zeit. So erinnern seine Aufnahmen im Zirkus von 1931 an die bekannten Bildserien von Sasha Stone und Umbo (1929), Tiere im Zoo lassen an die humoristischen Bildserien von Friedrich Seidenstücker (ab 1923) denken, seine Parisaufnahmen – Architekturen, Eisenkonstruktionen, aber auch die Menschen in der Stadt – lassen an Reportagen und Veröffentlichungen wie Métal (1928) von Germaine Krull denken. Blocks Stadt-, Hafen- und Schiffsaufnahmen in Hamburg stehen in visueller Verwandtschaft mit den Bildern von Ernst Scheel, Albert Renger-Patzsch, Hans Finsler oder Arvid Gutschow.
Beeindruckt von der Hochhausarchitektur in den USA nimmt er Fotografien auf, die eine Inspiration durch Buchpublikationen wie Amerika. Bilderbuch eines Architekten (1926) des fotografierenden Architekten Erich Mendelsohn nicht leugnen lassen. Trotz zahlreicher auch umfangreicher Veröffentlichungen in der illustrierten Presse der Zeit, gelang Block keine eigene Buchveröffentlichung. Auch der von Franz Roh, dem Münchner Kunstkritiker und Förderer moderner Fotografie, geplante Band zur Hamburger Fotografie mit Werken von Fritz Block, Arvid Gutschow und Ernst Scheel kam nicht zur Ausführung. In der Ausstellung „Das Lichtbild“ in München (1930) war Block nur in der Abteilung „Im Dienste der Wissenschaft“ vertreten. 1932 dann erwarb Kurt Kirchbach aus der „Internationalen Fotoausstellung“ in Hamburg einige von Blocks Werken für seine Sammlung zeitgenössischer Avantgardefotografie – ein ermutigender Ankauf, der Blocks Fotografie als künstlerisch bedeutsam adelte.
Als Jude war Fritz Block nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten gezwungen seine architektur- und fotojournalistischen Tätigkeiten zu beenden und seine Architektentätigkeit auf Umbauten zu beschränken. 1938 erfolgte die endgültige Auflösung des Architekturbüros. Nach einer vorübergehenden Inhaftierung gelang ihm mit seiner Frau die Emigration in die USA, wo er sich in Los Angeles ansiedelte. Es war nicht die Architektur, sondern die Fotografie, mit der er in Amerika einen neuen beruflichen Anfang versuchte. Er baute eine Agentur für von ihm selbst erstellte Farb-Diapositive zur Verwendung als Lehrmittel im Kunstunterricht und Studium auf und kooperierte mit dem Museum of Modern Art in New York als Ausleihstation. Neben Kunst, Design und Technik entstanden Serien zur modernen kalifornischen Architektur, die in ihrer Farbigkeit und Komposition an die jedoch wesentlich spektakulärerer und eleganter arrangierten Aufnahmen des Architekturfotografen Julius Shulman erinnern. Block gelang 1950 die Beteiligung an der „Color Photography Exhibition“ des Museum of Modern Art, in der seine Aufnahmen neben Werken von Ansel Adams, Paul Outerbridge und Edward Weston präsentiert wurden.
Das vorliegende Buch ist weniger ein „künstlerisches Fotobuch“, wie der Buchautor den Band auch verstanden wissen will. Es ist vielmehr eine umfassend recherchierte und sorgfältig gestaltete Monografie zu einem bislang wenig bekannten fotografischen Œuvre und Werdegang. Sie präsentiert den Weg vom Architekten zum Fotografen, von der Kleinbild-Fotografie des Neuen Sehens der 1920er in Europa zur Kodak-Chrome-Farbfotografie als Lehrmittel in den USA der 1950er Jahre, von der jüdisch-deutschen Avantgardekultur bis hin zur Exilkultur Amerikas. Ausgehend von dem weitgehend erhaltenen Material im Nachlass, das sich glücklicherweise über die Jahrzehnte im Besitz der Nachfahren Fritz Blocks bewahrt hat, mit Originalabzügen aus den 1920er und 1930er Jahren, mit Kleinbildnegativen, Farbdiapositiven aus den 1940er und 1950er Jahren, mit Reisedokumenten und zahlreichen Druckbelegen, ist ein Band entstanden, der ohne übermäßige Optimierung zum Druck opulent bebildert mit großformatigen, zum Teil doppelseitigen Abbildungen, reproduzierten Druckveröffentlichungen, Stempeln und Agenturaufklebern, ausgelegten Diaserien und berückenden Farbaufnahmen das Werk von Fritz Block, einem Protagonisten der fotografischen Moderne der 1920er bis 1950er Jahre wiederentdeckt, erschließt und ansprechend authentisch präsentiert.
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