Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie

hg. von Dr. Anton Holzer

Frank Biederstaedt

Die Geschichte der gewerblichen Fotografie in Vorpommern zwischen 1839 und 1880

Dissertation, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Caspar-David-Friedrich-Institut, Prof. Dr. Gerhard Weilandt, Beginn: April 2015, Kontaktadresse: frank.biederstaedt(at)gmx.de

 

Erschienen in: Fotogeschichte, Heft 149, 2018

 

In dieser Dissertation wird die frühe Fotogeschichte Vorpommerns anhand ausgewählter Regionen und Städte untersucht: die Insel Rügen als ländlicher aber touristisch stark frequentierter Raum, die Hansestädte Stralsund und Greifswald als Provinzstädte mit über 10.000 Einwohnern sowie vorpommersche Provinzstädte wie Demmin, Anklam oder Pasewalk. Zentrales Anliegen der Arbeit ist es, die Ausbreitung der gewerblichen Fotografie in Vorpommern, ausgehend von der ersten öffentlichen Bekanntmachung des Verfahrens der Daguerreotypie im Jahr 1839 bis ca. 1880, darzustellen. Dabei sollen Fragen nach eventuellen spezifisch vorpommerschen Besonderheiten, regionalen Sonderangeboten und den gesellschaftlichen Vorbedingungen beantwortet werden.

Bislang beschäftigten sich wenige Arbeiten mit der Fotogeschichte im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.  Wesentliche Arbeiten stammen von dem Rostocker Fotohistoriker Dr. Wolfgang Baier. Neben einigen auf Mecklenburg und Vorpommern bezogenen Angaben zur Fotogeschichte in seinem Hauptwerk „Quellendarstellungen zur Geschichte der Fotografie“ setzt er sich mit der Thematik in seinem Aufsatz „Zur Frühgeschichte der Photographie in Stralsund und Greifswald“[1] detaillierter auseinander. Doch bemerkt der Autor darin schon damals: „Der Verfasser ist sich dessen bewußt, daß die auf der Durchsicht der Zeitungen und Adreßbücher der damaligen Zeit fußenden Studien noch kein vollständiges Bild geben können, ...“.[2] Und auch in seinem höchst umfangreichen Werk, der „Quellendarstellungen zur Geschichte der Fotografie“, weist er darauf hin: „Eine umfassendere und gerade die Zusammenhänge zwischen Kunst, Gesellschaft und Fotografie behandelnde Geschichte wird einmal kommen müssen.“[3]

Für die Untersuchungsgebiete Stralsund, Greifswald und Rügen sowie die kleineren Städte sind die Publikationen bis heute zum Thema minimal und beschränken sich meistens auf Bildbände der unterschiedlichen Regionen. In wenigen Fällen werden dabei die Lebens- bzw. Schaffensdaten der Fotografen genannt. Für das Gebiet des ehemaligen Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin erschien im Jahr 2006 als Ergebnis einer Dissertation die Publikation „Mit Licht und Tücke: Die Frühzeit der Photographie im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin (1839–1880)“[4]. Die Untersuchungen fokussieren dabei hauptsächlich die mecklenburgischen Städte Rostock, Wismar, Schwerin und Güstrow, thematisieren aber auch die ländlichen Regionen. Für Vorpommern fehlt bislang eine umfangreiche kontextuelle Darstellung der frühen Fotogeschichte.

Auch wenn die vorpommerschen Zeitungen die Entwicklung in der Fotografie teilweise aufgriffen und mehr oder weniger ausführlich darüber berichteten, fanden sich bis zum Jahr 1843 keine Hinweise auf eine gewerbliche Nutzung des neuen Mediums. Mit Ausnahme der Großstadt Stettin, die bereits im Jahr 1842 von dem Berliner Portrait-Maler und Kupferstecher Adolph Schätzig bereist wurde,[5] gilt das Jahr 1843 als Beginn der gewerblichen Fotografie in Vorpommern. 

Wenn das entlegene Vorpommern in der Fotogeschichte auch keine herausragende Stellung einnimmt, findet man dennoch Fotografen, die für die Region überaus bedeutend waren. Besonders der seit 1858 in Stralsund tätige Fotograf Julius Krüger[6] verdient nicht nur durch ein von ihm verfasstes Lehrbuch besondere Beachtung, sondern auch durch seine Förderung des neuen Mediums. Die Aufnahme als Mitglied des „provisorischen Comités zur Gründung eines Deutschen Photographenvereins“ unterstreicht seinen guten Ruf. Ebenso scheint er der erste Fotograf in Stralsund und auf Rügen gewesen zu sein, der sich mit Landschaftsaufnahmen auseinandersetzte und diese zum Kauf anbot. Eine von ihm angewandte Technik, wie man Küstenorte von See aus in hoher Qualität fotografiert, findet auch in Pizzighellis „Handbuch der Photographie“ Erwähnung[7], in dem seine Vorgehensweise beim Ablichten des Küstenortes Sassnitz auf Rügen im Jahr 1867 beschrieben wird.[8]

Eine besondere Beachtung verdient auch der zunächst in Richtenberg, später in Stralsund tätige Fotograf Christian Beerbohm.[9] Er nutzt die Fotografie neben seinen Auftragswerken vor allem als Werkzeug der Dokumentation. Seine Ablichtungen vorpommerscher Kirchen, Gutshäuser, Schlösser und Ortsansichten gelten als wertvolles kulturelles Erbe der Region. Allein das Stadtarchiv Stralsund kann auf eine Sammlung von ca. 260 Landschafts- und Architekturfotografien von Christian Beerbohm im Zeitraum von 1877 bis um 1900 verweisen.

Etablierten sich in den größeren Städten Stralsund und Greifswald zeitgleich mehrere Fotografen, bildet dabei die Insel Rügen eine Ausnahme. Der erste dauerhaft ansässige Fotograf scheint der Putbusser Maler Gottfried Linde gewesen zu sein, der in der Tagespresse als Fotograf das erste Mal im Jahr 1862 in Erscheinung tritt[10]. In dieser Zeit etabliert sich der Tourismus auf Rügen, hauptsächlich durch Mitglieder der oberen Gesellschaftsschichten, immer stärker. Vor allem Putbus als Fürstenresidenz versprach zudem Kundschaft aus den höchsten Adelskreisen. Durch den Kronprinzen von Preußen wird Linde bereits im Jahr 1865 der Titel eines Hof-Photographen verliehen.[11] Bis zu seinem Wegzug nach Stralsund 1871 war er vermutlich der einzige sesshafte Berufsfotograf auf Rügen.

Primär soll in der Arbeit verdeutlicht werden, wie und in welchen Zeiträumen sich die Fotografie im Untersuchungsgebiet ausgebreitet und entwickelt hat, wie viele Personen dem Gewerbe nachgingen und inwiefern sich deren Ergebnisse qualitativ und künstlerisch voneinander unterschieden. Neben der Darlegung allgemeiner fotohistorisch relevanter Angaben sollen auch ortsspezifische Erkennungszeichen, gesellschaftliche Bedingungen und regionale Besonderheiten im Angebot der Fotografen untersucht werden. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den Kontext von politischen und gesellschaftlichen zu fotografischen Entwicklungen gelegt. Diese Dissertation kann dadurch zur Aufarbeitung und Darstellung der frühen Fotogeschichte im vorpommerschen Raum einen umfassenden und für die Regionalgeschichte erforderlichen Beitrag leisten.

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[1] Wolfgang Baier: Zur Frühgeschichte der Photographie in Stralsund und Greifswald, in: Greifswald-Stralsunder Jahrbuch, Bd. 3, Schwerin 1963, S. 179-202.

[2] Ebenda, S. 179.

[3] Wolfgang Baier: Quellendarstellungen zur Geschichte der Fotografie, Halle (Saale) 1964, S. 477.

[4] Sandra Schwede: Mit Licht und Tücke: die Frühzeit der Photographie im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin (1839–1880), Marburg 2006.

[5] Anzeige in: Königlich Privilegierte Stettiner Zeitung vom 10.7.1842, Nr. 120.

[6] Krüger inseriert in der Stralsundischen Zeitung zum ersten Mal am 29.10.1858 und weist nicht nur auf die Eröffnung seines fotografischen Ateliers hin, sondern bietet auch „Unterricht in der Chemie und verwandten Wissenschaften“ an.

[7] Giuseppe Pizzighelli: Die Anwendungen der Photographie, Halle (Saale) 1892, S. 68 f.

[8] Krügers Aufsatz über die Ablichtung des Küstenortes Sassnitz wurde von ihm zuerst in der „Photographischen Korrespondenz“, Jg. 1868, S. 33 publiziert.

[9] In der Stralsundischen Zeitung vom 9.4.1867 zeigt Beerbohm die Eröffnung seines Ateliers in Richtenberg an. Ab dem Jahr 1875 ist er in Stralsund wohnhaft.

[10] Anzeige in: Stralsundische Zeitung vom 22.10.1862, Nr. 246.

[11] Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz BPH, Rep. 113 Nr. 2398 Chronologische Übersicht der vom Kaiser Friedrich als Kronprinz verliehenen Hofprädikate.

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