Steffen Siegel, Bernd Stiegler
Schreiben über Fotografie. Editorial
Erschienen in: Fotogeschichte, Heft 145, 2017
In einem Heft, das dem Schreiben über Fotografie gewidmet ist, liegt es nahe, dieses nicht schreibend zu verdoppeln, sondern zu vervielfältigen. Schreiben über Fotografie gibt es nicht nur notwendigerweise im Plural, sondern es ist immer schon international und vielsprachig, zugleich aber auch geprägt von höchst unterschiedlichen historischen, theoretischen und ästhetischen Kontexten und last but not least Ausdruck einer Fülle von Temperamenten und Denkstilen. Über die Fotografie wurde immer schon geschrieben. Eine jede Stimme entwirft dabei ein besonderes Bild der Fotografie, die sich dabei immer wieder neu modelliert und eine andere Gestalt und Bedeutung annimmt. Auch unterschiedliche Bilder und Zeiten, Fotografinnen und Fotografen geraten in den Blick, werden entdeckt und verworfen, herausgestellt und kritisiert. Schreiben über Fotografie schließt die Fotogeschichte immer in besonderer Weise mit ein.
Um dieses polyphone Konzert von Stimmen in einem Heft vereinen, schien uns die klassische Form von Aufsätzen oder Essays nicht der Königsweg zu sein. Wir haben uns vielmehr entschieden, ganz idiosynkratisch und eigenwillig eben die Fülle von Stimmen in den Mittelpunkt zu stellen und das in doppelter Gestalt: Auf der einen Seite haben Monika Faber, Peter Herzog und Wolfgang Kemp in ausführlichen Interviews über ihre je eigene, persönliche Geschichte mit der Fotografie gesprochen. Es waren Gespräche, die mündlich und face to face geführt, aufgezeichnet und dann transkribiert wurden. Sie sind so Dokumente von Stimmen, die die Fotografie maßgeblich geprägt und getragen haben, ihr eine eigene Gestalt gegeben haben. Ein jedes Gespräch zeichnet eine besondere Geschichte der Fotografie nach. Zugleich sind mit den drei Gesprächspartnern auch drei unterschiedliche Bereiche angesprochen und aufgerufen, die gleichermaßen für die Geschichte der und das Schreiben über Fotografie von zentraler Relevanz sind: das Museum beziehungsweise die Ausstellung und das Archiv, die Sammlung und die Wissenschaft beziehungsweise die Theorie. Gewiss gibt es zwischen ihnen vielfältige Überschneidungen. Doch prägen der unterschiedliche institutionelle Kontext und die je eigene Perspektive auf die Fotografie nicht nur das Schreiben über sie, sondern auch das Bild der Fotografie.
Auf der anderen Seite stehen dreizehn Fragebögen mit jeweils denselben Fragen nach Allgemeinem und Besonderem. Die Antworten fallen höchst unterschiedlich aus. Gegeben wurden sie aus einer Vielzahl von Ländern. Antworten haben uns erreicht aus Neuseeland und den Vereinigten Staaten, aus England, der Schweiz, aus Frankreich und Deutschland. So ergibt sich nicht nur ein internationales Konzert an Stimmen, sondern auch eines unterschiedlicher Töne, da die Instrumente und mit ihnen Tonlagen vielfältig sind: Stimmen aus der Kunst- und Fotografiegeschichte und weiteren Wissenschaften, dem Journalismus und der Kunst sind hier versammelt, um über das Schreiben über Fotografie zu sprechen. Der Fragebogen ist eine alte, aber auch bewährte Form, um mit gleichen Fragen unterschiedliche Blicke und Perspektiven deutlich werden zu lassen. In der vergleichenden Lektüre eröffnen sich besondere Geschichten und je eigene Akzentsetzungen. So auch hier: Manchmal werden biografische Geheimnisse gelüftet, dann wieder eigene Standpunkte erläutert oder Projekte skizziert; vor allem aber schlagen die Antworten einen persönlichen Ton an, der das jeweilige Schreiben über Fotografie bestimmt.
Wir haben auch alle Beiträgerinnen und Beiträger um genau ein Bild gebeten, das im Folgenden jeweils die Fragebögen begleitet: ein individueller und eigenwilliger Fixstern am Himmel der Fotografie, ein besonderes Bild. Letztlich ist ja das Schreiben über Fotografie ein besonderes Schreiben, bei dem es um individuelle unverwechselbare Stimmen geht, und das dennoch das Allgemeine – die Fotografie – in je eigener Weise zum Leuchten bringt. Das Schreiben über Fotografie in einem Konzert von Stimmen und Bildern zu versammeln, ist die Aufgabe dieser Ausgabe von Fotogeschichte. Diese Zeitschrift mit ihrem ebenso allgemeinen wie programmatischen Namen ist der ideale Ort, um das Schreiben über Fotografie gerade dank seiner Vielfalt und Fülle und aufgrund der höchst unterschiedlichen Temperamente und Denkstile zum Gegenstand und eben auch zum Programm zu machen.
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