Miriam Halwani
Marginalien zur Fotografiegeschichtsschreibung. Mythen und Methoden
Dissertation – Universität Hamburg, Kunstgeschichtliches Seminar, Prof. Dr. Wolfgang Kemp – Beginn: Oktober 2005 – Art der Finanzierung: Promotionsförderung der Universität Hamburg – Kontaktadresse: miriamhalwani(at)gmx.de
Erschienen in: Fotogeschichte 108, 2009
Auf Tagungen wird sie gerne als fehlend beklagt: die Reflektion der Fotografiegeschichtsschreibung. Hier und da finden sich dann Aufsätze und Vorträge zu einzelnen Historikern, doch trifft man sich allzu oft auf Allgemeinplätzen und sucht auf ihnen, das Fach Fotogeschichte methodisch abzusichern. Einen Ansatz zum reflektierten Lesen will diese Forschungsarbeit nun liefern. Einen Ansatz nur deshalb, weil in der Fülle der Texte und Quellen Monografien im Mittelpunkt stehen, deren Impetus lautet: die Geschichte der Fotografie von ihren Anfängen – wo immer sie gelegt werden – bis zur Gegenwart zu verfolgen. Damit fallen Epochen-, Regionalgeschichten und Ausstellungen aus dem Rahmen, in den sie nur punktuell wieder eingespannt werden, wenn es zum Beispiel um die Frage nach Phaseneinteilungen oder Mythenbildungen geht.
Die deutschsprachige Literatur steht hierbei im Vordergrund, freilich ohne Bezüge zu Texten anderer Sprachen zu missachten, zumal sich oftmals Kontakte zwischen Fotohistorikern rekonstruieren lassen, die den Blick auf Ansprüche, Steckenpferde und wissenschaftliche Animositäten freigeben. Überhaupt kreist die Arbeit stets um den Begriff der "Wissenschaft", wo doch in Zürich ein Studiengang für die Theorie und Geschichte der Fotografie kürzlich eingerichtet wurde (siehe Editorial Fotogeschichte, Heft 104, 2007) und somit die Frage nach der wissenschaftlichen Behandlung von Fotohistorie dringlicher denn je im Raum steht. Welche Geschichte wird also geschrieben, wurde geschrieben" Und was sind die Mythen, die sie sich gibt" Exemplarisch sei die Frage nach der ersten Fotografie aufgeworfen, nach dem ersten Fotografen, eine Frage, die sich kaum beantworten lässt, nach deren Beantwortung jedoch zahlreiche Historiker streb(t)en. Oder die Konstruktion von Epochen, womit die Deklaration von Meisterwerken einhergeht. Lauter werden die Stimmen meist zu Jubiläen wie dem Zentennium 1939 oder dem 150sten Jahrestag 1989, zu denen die Geschichtsschreibung einen quantitativen Schub erfährt, der den direkten Vergleich fordert. Nichtsdestotrotz, die Studie will keine kommentierende Bibliografie sein, muss darum Schwerpunkte legen und einen roten Faden spinnen. Der setzt bei den Anfängen in der Handbuchliteratur des 19. Jahrhunderts an und kommt um "die üblichen Verdächtigen" Eder, Stenger, Newhall oder Gernsheim natürlich nicht herum. Aber auch weniger zitierte, wie Carl Schiendl oder Lucia Moholy, werden plötzlich relevant, wenn es darum geht Perspektivwechsel zu verorten. Dass Eder als Chemiker schreibt, Stenger als Sammler, Newhall als Museumsmann und Moholy als Soziologin, macht nicht nur deutlich, wie unterschiedlich der Blick sein kann (Allgemeinplatz), wie vielfältig die Methoden, sondern drängt ebenso zur Frage, wie Methode und Zeitpunkt der Niederschrift zusammenwirken, erzählt eine Rezeptionsgeschichte von Fotografie, erzählt vom öffentlichen Umgang mit ihr. Denn letztlich ist jedes Buch auch Ware, von der ein gewisser Absatz erwartet wird. Neben dem reinen Text spielt darum der Verlag, das Buchformat, auch die Übersetzung, das Fehlen oder Vorhandensein von Abbildungen, der Leser, der Buchpreis, die Auflage eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Das mag auch Thema gewesen sein, als sich Josef Maria Eder und Erich Stenger am 28. September 1938 in Kitzbühel, Eders Sommersitz, treffen. Und es war gewiss Thema, als Stenger und Lucia Moholy sechs Jahre zuvor eine gemeinsame Fotogeschichte planen, die sich mit dem Jahr 1933 nicht mehr verwirklichen lässt.
Das Forschungsprojekt speist sich aus Publiziertem und Unpubliziertem, entwickelt Hintergründe und richtet die Lupe auch auf das, was zwischen den Zeilen steht.
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