Daniela Kohlhuber
Dr. Hermann Heid (1834-1891). Von der Atelierfotografie zur Freilichtaufnahme
Institution: Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Institut für Kunstgeschichte, Univ. Prof. Dr. Markus Neuwirth, Universität Innsbruck, Institut für Kunstgeschichte, Abschluss: Oktober 2005, Art der Finanzierung: Privat, Förderstipendium der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Veröffentlichungsform: Diplomarbeit
Kontaktadresse: kohlhuber_d(at)yahoo.it
Erschienen in Fotogeschichte 101, 2006
Die Forschungsarbeit beschäftigt sich mit Hermann Heid (*Darmstadt 1834 "Wien 1891) und seiner über Jahrzehnte währenden fotografischen Tätigkeit in Wien und außerhalb. Heids Atelierarbeiten offenbaren neben der Beschäftigung mit Technologie und Porträt eine spannende Konzentration auf Studien, welche in den Freilichtaufnahmen Fortsetzung findet.
Nach einem Studium der Chemie besuchte Hermann Heid die erste fotografische Lehranstalt Deutschlands, das "Photographisch Chemische Institut" von Julius Schnauß in Jena. Anschließend zog er nach Wien und wurde technischer Leiter im Atelier von Emil Rabending. Mitte der 1860er Jahre gründete er mit Ferdinand Ronniger das Atelier "Dr. H. Heid & F. Ronniger" im III. Wiener Bezirk, Landstraße-Gärtnergasse 23. 1865/66 wurde in Pest eine Filiale eröffnet, welche 1867 von György Klösz übernommen wurde. Im folgenden Jahr verließ Ronniger die Fotografie und das Wiener Atelier. 1874 verlegte Heid seine "Photographisch Artistische Anstalt" in die Landstraße-Hauptstraße 33 und produzierte in der eigenen Fabrik ab 1875 Kollodiumwolle und ab 1880 Trockenplatten. Nach Heids Tod führte seine Witwe Antonia Heid den Betrieb noch mehrere Jahre weiter.
Hermann Heid konnte sich fast dreißig Jahre als Fotograf in Wien behaupten, der Konkurrenz standhalten und neue Wege gehen. Er begann mit der Porträtfotografie und entdeckte bald die fotografische Studie für sich: Menschen, Tiere, die Natur, Architektur und Interieurs sowie Industrie und Technik. Für seine Arbeiten wurde Heid auf Ausstellungen im In- und Ausland mehrmalig ausgezeichnet. Vertreiben ließ er seine Fotografien im Eigenverlag oder anonym über andere Verleger wie A.F. Czihak in Wien, Adolphe Giraudon und A. Calavas in Paris sowie Hampel Bros. in den Vereinigten Staaten. Zur Veröffentlichung wurden die verschiedenen Bildthemen von Heid zu je einer Serie ("Collection") eines bestimmten Buchstabens zusammengefügt: A präsentierte Architekturaufnahmen, E und F Körperstudien von Männern, Frauen und Kindern (sogenannte Academien), M galt Kopf- und Handbewegungsstudien und R markierte Studien ländlicher Gegenden und Charaktere.
Verschiedene dieser von Heid als Künstlervorlage gedachten Serien waren bereits gefertigt, als der Fotograf in Paris auf Adolphe Giraudon traf. Der Verleger unterhielt eine bekannte Fotoagentur in der Rue Bonaparte 15, direkt gegenüber der École des beaux-arts. Die geschäftlichen Kontakte zwischen Giraudon und Heid sind durch mehrere Briefe aus der Zeit von 1878 bis 1881 belegt (heute in den Archives Departementales du Cher/Bourges). Besonders die Körperstudien fanden großen Anklang, sodass Giraudon im Juni 1880 die Studienmappe Etudes académiques d'enfants, de femmes drapées et nues, d'hommes drapées et nus par le docteur Heid veröffentlichte. Auch in der Folge wurden Arbeiten der Collection de Vienne als nicht retuschierte und für den Künstler unabdingbare Kostüm- und Körperstudien beworben und verkauft. Heid fertigte seine Academien anonym und versah sie auf der Rückseite einzig mit dem Firmenetikett Giraudons. Es sollte beim Kunden der Anschein erweckt werden, die Studien kämen direkt aus Paris und nicht aus Wien. Auch A. Calavas vertrieb Heids Körperstudien und mischte diese auf Katalogblättern mit Arbeiten anderer Fotografen, wie etwa Louis Jean-Baptiste Igout. Daraus ergibt sich heute die Schwierigkeit einer einwandfreien Ermittlung der Arbeiten Heids. Die von ihm in den Briefen an Giraudon beschriebene Buchstabierung und Anfertigung der Academien, ein inventarisch belegter Verkauf von "Photogr. nach Akten" aus dem Hause Giraudon an das K.k. Österreichische Museum für Kunst und Industrie (heute Museum für angewandte Kunst Wien) durch "Phot. D. Heid" 1881 sowie die Übereinstimmung bestimmter Requisiten und Accessoires bei anonym und namentlich gehandelten Aufnahmen legen jedoch die Vermutung nahe, dass ein beträchtlicher Teil der heute international verbliebenen Körperstudien der Collection E und F von Hermann Heid stammen.
Neben den Atelierstudien nehmen die Freilichtaufnahmen einen wichtigen Platz im Werkbestand des Wiener Fotografen ein. Technische Experimentierfreude verband sich hier mit künstlerischen Überlegungen. Heid fertigte neben großformatigen Architekturaufnahmen auch Landschafts- und Tierstudien als Vorlage für Künstler sowie Porträts der Landbevölkerung. Über die oberflächliche Wiedergabe des Gesehenen hinaus waren Komposition, Raumgestaltung und Belichtung eines von der Natur vorgegebenen Motivs von großer Bedeutung für Heid. Dass Freilichtaufnahmen wie Atelierstudien nicht nur von Kunsthochschulen, sondern auch von einzelnen Künstlern gekauft wurden, belegen Arbeiten der Collection R im Nachlass des Wiener Historienmalers Johann Victor Krämer und des amerikanischen Landschaftsmalers Charles Henry Miller.
Noch einiges im Schaffen von Dr. Hermann Heid bedürfte näherer Aufmerksamkeit. Zu wenig ist bisher über die Beziehung zu den Verlegern A. Calavas und A. F. Czihak bekannt. Die Verbreitung der Fotoarbeiten in Frankreich oder den Vereinigten Staaten sowie der Gebrauch der Studien an Kunstakademien und bei Künstlern wie Hans Makart oder Hans von Marées wurden noch nicht ausreichend erforscht. Und eine Untersuchung der fotografischen Bestände der Bibliothéque nationale de France und der École nationale supérieure des beaux-arts in Paris könnte wichtige Erkenntnisse im Zusammenhang mit den Arbeiten der Collection E und F liefern.
Die im Rahmen der Forschungsarbeit untersuchten Fotografien befinden sich u.a. in der Fotosammlung Albertina in Wien (Porträtaufnahme, Ringstraßenbauten, Semmeringeisenbahn, Coll. R), im Fotoarchiv MAK Museum für angewandte Kunst Wien (Coll. E/F), in der Fotosammlung des Wien Museums (Architekturaufnahmen), im Fotomuseum im Münchner Stadtmuseum (Coll. E/F), im Universitätsarchiv Universität der Künste Berlin (Coll. A, Coll. E/F, Coll. M, Coll. R) und in der Fotosammlung Nationalmuseum Budapest (Porträtaufnahmen, Coll. A).
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