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Anton Holzer
Editorial, Heft 96, 2005
Erschienen in Fotogeschichte Heft 96, 2005
Die Idee zu diesem Themenheft stammt von Timm Starl. Es wäre doch spannend, meinte er, einmal einige Autoren, die sich seit Jahren mit Fotografie(geschichte) auseinander setzen, danach zu befragen, welche Texte, Bücher und Zeitschriften, aber auch welche Autoren ihnen in der Auseinandersetzung mit dem Medium wichtig waren bzw. sind. Mir gefiel die Idee.
Um nicht in die Nähe einer Hitliste ausschließlich berühmter Texte zur Fotografiegeschichte und -theorie zu geraten, bat ich die Autorinnen und Autoren dieses Heftes, auch an entlegenere Quellen zu denken, weniger bekannte Beispiele aufzugreifen. So waren dann die Liste der Vorschläge breit gestreut und Fragerichtungen wie Perspektiven höchst unterschiedlich. Die willkürliche Auswahl mag überraschen. Aber es war nicht daran gedacht, eine repräsentative Auswahl an Foto-Texten zu treffen oder gar den Stand der Fotoforschung umfassend darzustellen. Vielmehr geht es um ein neugieriges Wieder-Lesen von einprägsamen, ungewöhnlichen, schönen (vielleicht wichtigen, vielleicht weniger wichtigen) Texten zur Fotografie mit dem Ziel, beispielhaft unterschiedliche Wege zur Fotografie(geschichte) zu skizzieren. Es geht darum, bekannte, aber auch weniger beachtete Werke oder Werkteile genauer zu beleuchten. "Fotoliteratur(en)", der Titel dieses Heftes, versteht sich in diesem Sinne als ein Vorhaben im Plural, ein Projekt, das verschiedene Stimmen zu Wort kommen lässt und für eine Fortsetzung offen ist.
Die einleitenden Essays beschäftigen sich mit zwei bekannten Protagonisten der Foto- und Bildgeschichte, Helmut Gernsheim und Ernst H. Gombrich. Ulrich Keller stellt in seinem autobiografisch gefärbten Text Helmut Gernsheim augenzwinkernd aufs Podest der ganz Großen (die ein Denkmal verdienen). Tatsächlich aber versucht er, dessen Arbeit und Texte zu entmythologisieren, seinen Zugang zur Fotografiegeschichte greifbarer, verständlicher zu machen. Detlef Hoffmann zeigt, auf welche Weise Ernst Gombrich, der sich stets mit Bildern, aber wenig mit Fotografie beschäftigte, als "Bildwissenschaftler vor seiner Zeit" auch für die heutige Fotogeschichte anregend ist. Bernd Stiegler stellt den im angelsächsischen Bereich bekannten aber im deutschen Sprachraum weit weniger gelesenen Fototheoretiker Peter Henry Emerson vor, der vor der Wende zum 20. Jahrhundert auf faszinierende Weise den ambivalenten Status der Fotografie zwischen Kunst und mechanischer Reproduktion beschrieben hat. Stiegler zeichnet entlang der spannenden Editionsgeschichte von Emersons Naturalistic Photography for Students of the Arts (1889 erstmals erschienen) nach, welche theoretischen Folgen Emersons Plädoyer für die Unschärfe und seine subjektivistische Wende in der Fotografie hatten. Monika Schwärzlers Beitrag geht der Frage nach, wie die Lebensgeschichte einer Fotografin (Diane Arbus), die im Halbdunkel und zugleich im Rampenlicht stand, sich in der Überlieferung von Texten und Bildern zu einer neuen Lebensgeschichte, einer Biografie, zusammensetzt. Gisela Steinlechner und Janos Frecot stellen zwei Schriftsteller vor, die – auch – fotografierten: Arno Schmidt und W.G. Sebald. In ihren Annäherungen an die beiden Autoren beschäftigen sie sich mit dem Zusammenspiel von Texten und Fotografien, ihren poetischen Überlagerungen. Schließlich kommt ein Autor zu Wort, der wohl mit dem Film, aber – so lautet die verbreitete Meinung – nicht mit der Fotografie in Verbindung steht: Sergej Eisenstein. In einer kleinen Miniatur aus seiner Autobiografie Yo. Ich selbst erzählt er von seiner Begegnung mit Daguerre in einem kalifornischen Provinznest Anfang der 1930er Jahre.
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