
Anton Holzer
Editorial, Heft 90, 2003: Fotografie in der Schweiz
Erschienen in Fotogeschichte Heft 90, 2003
Ein Samenverkäufer und Fotograf aus dem Tessin, ein fotografierender Kapuzinerpater in Olten, ein Basler Abenteurer, der die Schweizer Flagge in die Antarktis trägt. Ein repräsentativer Querschnitt durch die Schweizer Fotografiegeschichte" Wohl kaum. Das vorliegende Themenheft zur Fotografie in der Schweiz nähert sich dem Land zunächst von den Rändern her, es zeigt weniger bekannte Facetten. Die biografischen Nachforschungen werden ergänzt durch einen Blick in einzelne Archive und Sammlungen sowie einen Überblick über wichtige Schweizer Fotoinstitutionen, Fotoverlage und einige Protagonisten der zeitgenössischen Schweizer Fotografie.
Ländergeschichten der Fotografie erzeugen gelegentlich Unbehagen. Sie tun es dann, wenn statt neugieriger thematischer, zeitlicher oder biografischer Ausschnitte starre nationale Begrenzungen als das verbindendes Kriterium gewählt werden. Wenn die Geschichte des Mediums ins "Wir"-Gefühl gebettet wird, wenn Vorfahren und Erben einen stolzen nationalen Anstrich bekommen und wenn die Recherchen exakt an der geografischen Grenze des Landes Halt machen. Schließlich: wenn eine lineare Entwicklung sowohl der Fotografie wie des politischen Rahmens unterstellt wird.
Wenn das vorliegende Heft sich der "Fotografie in der Schweiz" widmet, ist damit nicht die Absicht verbunden, Bausteine einer derart skizzierten nationalen Fotogeschichte hinzuzufügen. Mehr als Antworten und Gewissheiten zu liefern, will es Neugierde erzeugen, Fragen stellen. Die Schweiz als offene Klammer, nicht als starrer Rahmen. Ein Heft, das eher fotografische Geschichten aus der Schweiz zusammenstellt als dass es Schweizer Fotografiegeschichte schreibt. Solche umfassenderen Werke gibt es bekanntlich bereits. Zudem tritt der Umfang einer Zeitschrift natürlich nicht in Konkurrenz mit einer schwergewichtigen Buchveröffentlichung.
Der Plan, ein Themenheft Schweiz zusammenzustellen, geht zurück auf viel banalere Überlegungen. Ich war, als ich mit der Material- und Themensammlung begann, ich gestehe es, nicht besonders vertraut mit Fragen der Schweizer Fotografiegeschichte. Und umgekehrt war mir aufgefallen, dass bisher sehr wenige Schweizer Autorinnen und Autoren in der Zeitschrift publiziert hatten. Das sollte sich, dachte ich mir, ändern. Ich wollte mehr über die Schweizer Fotografie(geschichte) wissen und zugleich die Fotogeschichte stärker für Schweizer Autoren öffnen. Das erste Ergebnis ist dieses Heft. Es ist auch als Einladung zu verstehen: fotohistorische Ergebnisse und Recherchen zu Schweizer Themen in Zukunft öfters in der Fotogeschichte vorzustellen.
Dass einige der Protagonisten dieses Heftes Randständige, weniger Bekannte und Unerkannte sind, gefällt mir. Dass die ländliche Schweiz gegenüber der Stadt gebührend vertreten ist, ebenso. Dass die Neugierde nicht an den Landesgrenzen Halt macht, auch. Dass darin die Westschweiz weniger Platz findet als die Ostschweiz, war nicht beabsichtigt. Dem Außenstehenden wird man verzeihen, dass die Forderung nach Balancierung von sprachlichen, kantonalen und regionalen Gliederungen, die in der Schweiz selbstverständlich zu sein scheint, da und dort unerfüllt bleibt. Wie gesagt: repräsentativ ist das Heft nicht.
Ohne die Hilfe vor Ort, wäre dieses Heft nicht zu realisieren gewesen. In den Gesprächen mit Patrick Marcolli (Basler Magazin) wurde die Idee für das vorliegende Heft konkreter, er öffnete mir etliche Türen. Zu danken habe ich auch Martin Gasser (Fotostiftung Schweiz), der mir zur rechten Zeit mit guten Ideen und Ratschlägen zur Seite stand.
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