Herbert Molderings
Zum Tod von Bodo von Dewitz
Erschienen in: Fotogeschichte, Heft 147, 2018
Mehr als zweieinhalb Jahrzehnte lang war das Kölner Museum Ludwig neben dem Pariser Musée d'Orsay das Mekka der Fotografie des 19. Jahrhunderts. Dies mag befremdlich klingen, ist doch das Museum Ludwig ganz der Kunst des 20. Jahrhunderts verpflichtet. Das Paradoxon erklärt sich damit, dass in diesem Hause seit 1985 als Teil des Agfa-Foto-Historamas die Sammlung Stenger, eine der großartigsten europäischen Privatsammlungen der alten Fotografie, beheimatet und Bodo von Dewitz als ihr Kurator tätig war, der es verstand, die verborgenen Schätze dieser Kollektion in beindruckenden Ausstellungen sichtbar zu machen.
Von Dewitz war quasi direkt von der Universität Hamburg, an der er 1985 von Martin Warnke mit einer Studie zu Fotografien des Ersten Weltkriegs promoviert worden war, zum Leiter des Agfa-Foto-Historamas im damaligen Wallraf-Richartz-Museum/Museum Ludwig berufen worden. Bis 2013 organisierte er im ein- oder zweijährigen Rhythmus große Ausstellungen, die eine fotografische Epoche (Silber und Salz: Zur Frühzeit der Photographie im deutschen Sprachraum 1839–1860, 1989) oder die Werke großer Fotografen (Hugo Erfurth, 1992, Walter Hege, 1993, Hill und Adamson, 2000, James Abbe, 2004, Chargesheimer, 2007) zum Thema hatten. Obwohl als Kunsthistoriker vor allem an der Geschichte der Hochkunst geschult, war von Dewitz nicht so sehr daran interessiert, die Fotografie als große Kunst zu nobilitieren, als ihre historische Bedeutung in der Herausbildung des modernen Alltagslebens sichtbar zu machen. Nachdem er sich schon in seiner Dissertation dem Phänomen des "Knipsers" zugewandt hatte ("So wird bei uns der Krieg geführt". Amateurfotografie im Ersten Weltkrieg, 1989), galt auch seine Aufmerksamkeit als Kurator den im täglichen Leben verankerten fotografischen Praktiken wie der Reisefotografie (An den süßen Ufern Asiens. Ägypten, Palästina, Osmanisches Reich – Reiseziele des 19. Jahrhunderts in frühen Photographien, 1988) und der Bildberichterstattung (Kiosk. Eine Geschichte der Fotoreportage, 2001). Eine seiner spektakulärsten Ausstellungen war 2002 die Präsentation der mediengeschichtlichen Sammlung Werner Nekes, einer formidablen Kollektion von Sehapparaten und optisch hervorgebrachten Bildern vom 15. bis zum 20. Jahrhundert (Ich sehe was, was Du nicht siehst. Sehmaschinen und Bilderwelten).
Für Bodo von Dewitz war die Fotografie nicht nur ein Gegenstand des ästhetischen Vergnügens, sondern immer auch ein kulturhistorisches Dokument, dessen Bedeutung es durch sorgfältige Quellenforschung zu erschließen galt. Dieser wissenschaftliche Ansatz machte jeden seiner Ausstellungskataloge zu einem Meilenstein in der Geschichte der Fotoliteratur. In Anerkennung seiner Verdienste um die noch junge Disziplin der Fotogeschichtsschreibung verlieh ihm die Philosophische Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität Bonn 2004 den Titel Honorarprofessor.
Zu seinen größten Leistungen gehörte die Rettung der Sammlung des Agfa Foto-Historama für das Museum Ludwig. Als die Bayer AG 2005 den Verkauf der Fotosammlung in einer internationalen Auktion vorbereitete, erwirkte er deren Aufnahme in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts, so dass die einzigartige Kollektion von 11.000 Fotografien nicht ins Ausland abwandern und durch die Stadt Köln erworben werden konnte. Als Leiter der Fotografischen Sammlungen und später auch stellvertretender Direktor erwarb von Dewitz für das Museum die bildjournalistisch orientierte Sammlung Robert Lebeck und die Sammlung Daniela Mrázkowá mit Fotografien der russischen Avantgarde sowie das Archiv Reisewitz (fotorm) und zuletzt das Man Ray-L.Fritz Gruber Archiv.
Am 17. November 2017 ist der international hoch geschätzte Fotokurator im Alter von 67 Jahren in Bad Godesberg nach einer kurzen schweren Krankheit gestorben.
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