Miriam Zlobinski
Die »Volksgenossin« in der Modefotografie
Masterarbeit, Humboldt-Universität zur Berlin, Lehrstuhl für Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt im Nationalsozialismus, Abschluss: Master of Arts.
Erschienen in: Fotogeschichte, Heft 141, 2016
In TV-Dokumentationen und populären Büchern wird das NS-Frauenbild bis heute oft mit Bildern des »deutschen Gretchens« oder NS-Mütterpropaganda in Verbindung gebracht. Die Frauen im Nationalsozialismus scheinen in ihrem Aussehen und ihren Idealen völlig der nationalsozialistischen Inszenierung zu folgen und sich gänzlich vom Frauenbild der glamourösen 1920er Jahre abzuwenden. Stimmt das? Welchen modischen Idealen folgten die Frauen in der „Volksgemeinschaft“, welche Spielräume hatte sie im Bereich der Mode?
Mit dem Grundlagenwerk von F.C. Gundlach kam nach langer Zeit erneut die Diskussion um die Begrifflichkeit der deutschen Modefotografie auf.[1] Die Ausstellung „Berliner Modefotografie der dreißiger Jahre“ rückte 2005 die Fotografen in den Fokus.[2] Zur gleichen Zeit erschien auch die wertvolle Arbeit von Anna Zika über die medialen Spezifika von Modezeitschriften.[3] In welchen Maße sich die ästhetischen Richtlinien von politischer Seite für die Modefotografie ab 1933 änderten, zeigen jüngst die Ergebnisse von Marion Wittfeld.[4]
Anhand der auflagenstarken Frauenzeitschriften Die Dame und NS Frauenwarte untersuchte diese Arbeit das publizierte Modeideal in Fotografie und Text und legte dabei den Schwerpunkt auf das fotografische Bildmaterial, welches als historische Quelle herangezogen wird. Die Modestrecke zeigte sich dabei als hervorragende Quelle, denn sie gilt nach wie vor als richtungsweisende Inspirationsvorgabe für alle Bekleidungstrends und ist zugleich kreatives Aushängeschild für den Fotografen. Findet sich in diesen Modestrecken ein eigener Stil wieder, ein »deutscher«? Durch eine detaillierte quantitative Auswertung der Quellen wurde untersucht, inwieweit deutsche und internationale Modefotografen (auch jüdischer Herkunft) für die beiden betrachteten Frauenzeitschriften arbeiteten und wie sich das Auftragsvolumen in der Praxis darstellte. Wie groß war der internationale Einfluss?
Zumindest für Die Dame, die auch unter die Presselenkung der Nationalsozialisten fiel, sind Text- wie Bildberichte zur Mode von internationalem Flair geprägt. Zum Beispiel kamen die Berichte und Fotografien von den Modenschauen aus Paris direkt ins Heft. Ein Blick in Die Dame verrät: Inszeniert wurde auch von deutschen Fotografen wie Sonja Georgi „à la mode“. In der NS Frauenwarte dagegen verzichtete man auf aufwendige Modeberichterstattung in Bildern, nahm jedoch die Bekleidungstrends in Silhouette oder Accessoires in leicht abgewandelter Form auf. Das Attribut deutsch spielt zwar für beide Zeitschriften eine Rolle, wird aber sehr unterschiedlich umgesetzt. Erstaunlich ist, wie weit die Lebenswelten der Frauen auseinandergehen und im untersuchten Zeitraum einen großen Gestaltungsspielraum aufzeigen. Für die »Volksgenossin« war die Bekleidung mehr eine Frage des Geldbeutels und weniger ihrer Gesinnung. Alle politischen Anstrengungen konnten weder die Lust am internationalen, modischen Zeitgeist noch die Bildsprache auf ein homogenes deutsches Frauenbild reduzieren. Die Modefotografie der 30er Jahre zeigt sich damit ambivalent, sie suggerierte eine intakte Alltags- und Modewelt und war zugleich Teil eines internationalen Systems aus wirtschaftlichen Netzwerken und stilistischen Strömungen.
Literatur:
Miriam Zoblinski: Die »Volksgenossin« in der Modefotografie, Sonderdruck 2, Kostenlose Bestellung: Lehrstuhl für Wissenschaftsgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin: Brudnachowskik(at)geschichte.hu-berlin.de.
[1] F.C. Gundlach, Ulrich Richter (Hg.): Berlin en vogue - Berliner Mode in der Photographie, Berlin 1993.
[2] Adelheid Rasche: La Fotografia di Moda a Berlino negli Anni Trenta, Milano 2001.
[3] Anna Zika: Ist alles eitel? Zur Kulturgeschichte deutschsprachiger Modejournale zwischen Aufklärung und Zerstreuung1750–1950, Weimar 2006.
[4] Marion Wittfeld: »Geschmackerziehend und stilbildend«. Modefotografie im Nationalsozialismus am Beispiel der Zeitschrift »Mode und Heim« (1931–1944), in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, 12 (2015), S. 356-369.
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