
Nautilus
Muscheln und Schnecken in der Fotografie der Moderne
Ausstellungs- und Rechercheprojekt der Alfred Ehrhardt Stiftung Berlin, 2013, Kontakt: Stefanie Odenthal, Alfred Ehrhardt Stiftung:info@alfred-erhardt-stiftung.de; Dr. Roland Jaeger: rojaeger@aol.com
Erschienen in: Fotogeschichte 122, 2011
Das Interesse der Menschheit an Muschelschalen und Schneckengehäusen geht bis in frühkulturelle Zeiten zurück und hat in der Kulturgeschichte viele Spuren hinterlassen, nicht zuletzt in der Bildenden Kunst. Neben Pflanzen und Kristallen gehören Gehäuse von Muscheln und Schnecken zu jenen ›Bauformen der Natur‹, die die Fotografen der Moderne besonders fasziniert haben.
Die Alfred Ehrhardt Stiftung möchte aus dieser Traditionslinie einen besonders markanten Abschnitt herausgreifen, bei dem sich naturwissenschaftliche und künstlerische Sichtweisen begegnen: Muscheln und Schnecken in der Fotografie der Moderne. Den Ausgangspunkt dafür bilden die im Nachlass des Fotografen erhaltenen Aufnahmen, die Alfred Ehrhardt in seinen Fotobüchern Muscheln und Schnecken (1941) und Geprägte Form (1968) veröffentlicht hat.
In den 1920er Jahren wurden Muscheln und Schnecken zum Bildthema einer künstlerisch autonomen Fotografie. Naturphilosophische und neusachliche Aspekte spielten dabei ebenso eine Rolle wie die vermeintliche Vorbildfunktion dieser ›Bauformen der Natur‹ für Architektur und Design. Eine besondere Stellung nahm dabei die Röntgenfotografie ein, die Einblicke in die innere Struktur der Schalentiere eröffnete. Am Beginn steht ein 1923 erschienenes, damals viel beachtetes Themenheft der holländischen Avantgarde-Zeitschrift Wendingen (1923) mit Muschel- und Schneckenfotografien von Bernard Eilers und J. B. Polak. In den USA schuf Edward Weston mit seinen Muschelaufnahmen wenig später Ikonen der Fotomoderne, die 1929 auch auf der einflussreichen Ausstellung ›Film und Foto‹ in Stuttgart zu sehen waren. Seine Aufnahme „Nautilus“ (1927) zählt heute zu den teuersten Fotos überhaupt. Unter den amerikanischen Fotografen haben sich auch Edward Steichen, Imogen Cunningham, Walker Evans, Paul Outerbridge und Ruth Bernhard kreativ mit Muscheln und Schnecken beschäftigt.
Im deutschsprachigen Raum sind verschiedene Vertreter der sachlichen Fotografie durch Aufnahmen von Muscheln und Schnecken hervorgetreten − von Ernst Fuhrmann über Aenne Mosbacher bis Arvid Gutschow. Eine Besonderheit bilden dabei die erst kürzlich wiederentdeckten Fotos des Hamburger Architekten und Fotografen Fritz Block. Hinzu kommen entsprechende Aufnahmen aus Archiven von Presseagenturen und Museumssammlungen. Einen Höhepunkt schließlich stellen die Aufnahmen dar, die Alfred Ehrhardt für sein Buch Muscheln und Schnecken (1941) gemacht hat. Eine gänzlich andere Sicht auf diese Naturobjekte vermitteln dagegen Beispiele der Fotografie des Surrealismus.
Weiterhin geplant ist ein Ausblick auf fotografische Positionen, die sich nach 1945 auf unterschiedliche Weise mit dem Bildthema ›Muscheln und Schnecken‹ auseinandergesetzt haben – von Josef Sudek über Werner Bischof bis Wolfgang Strache, von Andreas Feininger über Herman Landshoff bis Robert Mapplethorpe. Zudem sollen Beiträge berücksichtigt werden, die sich bewusst auf die Bildtradition der neusachlichen Fotografie beziehen.
Das Projekt wird vom Hamburger Kunst- und Fotohistoriker Dr. Roland Jaeger kuratiert und seitens der Alfred Ehrhardt Stiftung von Stefanie Odenthal betreut. Die bisherigen Vorbereitungen haben erbracht, dass sich eine Ausstellung anschaulich verwirklichen lässt, aber die Recherche ist noch nicht abgeschlossen. In vielen Fällen sind Aufnahmen durch Publikationen in Büchern und Zeitschriften zwar bekannt, doch müssen die zugehörigen vintage prints der Fotografien noch ermittelt werden. Außerdem ist davon auszugehen, dass noch viele ungehobene Schätze im Verborgenen liegen. Daher ist die Alfred Ehrhardt Stiftung für Hinweise auf Archivbestände historischer Aufnahmen von Muscheln und Schnecken dankbar.
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