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Jörn Glasenapp
Editorial: Licht / Schrift
Intermediale Grenzgänge zwischen Fotografie und Text
Erschienen in: Fotogeschichte, Heft 108, 2008
Foto und Text, sei es im Buch, in der Presse oder in der Werbung, haben seit jeher die Nähe zueinander gesucht, und dies nicht selten zum Vorteil bzw. zur Wirkungssteigerung beider. Denn, wie John Berger es pointiert in Eine andere Art zu erzählen ausdrückt, "[z]usammen sind die beiden sehr machtvoll; eine offene Frage scheint zur Gänze beantwortet zu sein." Und doch handelt es sich bei der Beziehung um eine, die die Forschung immer wieder als eine ebenso diffizile wie spannungsreiche profiliert; auch und vor allem, weil von einer klaren Dichotomie der Kompetenzen ausgegangen wird: So gilt das Foto als beweisfähig, aber abstraktions- und fiktionsunfähig, der Text hingegen als beweisunfähig, dafür aber abstraktions- und fiktionsfähig.
Verständlicherweise wirft ihr intermediales Zusammengehen zahlreiche Fragen auf, von denen einige wichtige in den fünf hier versammelten Aufsätzen wenn auch nicht beantwortet, so doch ausführlich verhandelt werden. Von Literatur- und FotowissenschaftlerInnen verfasst, erproben sie den interdisziplinären Dialog in der Auseinandersetzung mit Mischverhältnissen und Hybridbildungen unterschiedlicher Couleur, indem sie Medienkombinationen auf der einen und intermediale Bezüge auf der anderen Seite am konkreten Fall diskutieren. Ein spezielles Augenmerk werfen sie hierbei auf Mediengrenzen überschreitende Inklusionsphänomene und -strukturen, das heißt, sie gehen Fragen nach, die auf das Funktionieren des Einen im Anderen, der Fotografie im Text bzw. des Textes in der Fotografie, abzielen.
So beleuchtet Claudia Lillge das Motiv der bzw. die medientheoretische Reflexion über die Fotografie in Daphne Du Mauriers Erzählung "The Little Photographer" (1952), wohingegen sich Gabriele Rippl Raj Kamal Jhas Fireproof (2006) annimmt, einem Roman, der, indem er Pressefotografien in den Textfluss montiert, neue Formen literarischen Schreibens im Zeichen des pictorial turn (W. J. T. Mitchell) erprobt. Stärker von Seiten der Fotografie aus argumentieren der Herausgeber dieses Heftes und Christoph Ribbat, die sich in ihren Beiträgen der US-amerikanischen Fotografie zuwenden: Während ersterer die verschiedenen Strategien des Umgangs mit intra- und extradiegetischer Schrift in den Aufnahmen und Fotobüchern Weegees in den Fokus der Betrachtung rückt, diskutiert und problematisiert Ribbat die zunehmende Bildskepsis zeitgenössischer Dokumentarfotografen, welche sich vor allen Dingen in einem verstärkten Textgebrauch manifestiert. Bernd Stiegler schließlich widmet sich mit Jan Tschichold dem kardinalen Theoretiker der neuen Typografie, dessen Überlegungen zum Kernbestand der Reflexion und Diskussion über die epistemologischen Bedingungen der Foto-Text-Montage in der Zwischenkriegszeit gehören.
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