Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie

hg. von Dr. Anton Holzer

Nathalie Patricia Soursos

Fotografie und Diktatur

Eine Untersuchung anhand der Diktatur Ioannis Metaxas’ in Griechenland und Benito Mussolinis in Italien

Dissertation am Institut für Byzantinistik und Neogräzistik / Institut für Zeitgeschichte, Initiativkolleg Europäische historische Diktatur- und Transformationsforschung, Universität Wien, Prof. Dr. Maria A. Stassinopoulou, Prof. DDr. Oliver Rathkolb, Abschluss: voraussichtlich April 2014, Veröffentlichung: 2014; Art der Finanzierung: Kollegassistenz IK Europäische historische Diktatur- und Transformationsforschung und privat; Kontakt: s_nathalie(at)gmx.at

Erschienen in: Fotogeschichte 129, 2013

Es gibt zahlreiche Untersuchungen zur visuellen Inszenierung des faschistischen Regimes Italiens. Die Studien umfassen eine breite Vielfalt an Medien, u. a. Postkarten, Fotomontagen und Wochenschauen. Der Großteil der Arbeiten beschränkt sich jedoch auf die Darstellung Mussolinis als Führerfigur. Die griechische Forschung konzentrierte sich bisher auf die Untersuchung der Propaganda des Metaxas-Regimes im Allgemeinen und Fotografien der Nationalen Jugendorganisation EON (Ethnike Organosi Neolaias) im Besonderen. Die Rolle der Fotografen in den Diktaturen ist vergleichsweise wenig untersucht worden und beschränkt sich in der Regel auf die – zumeist unkritische – Herausgabe von Fotobänden bekannter Fotografen und Fotografinnen. Zudem ist, vor allem in einem zeithistorischen Kontext, die Erforschung von Bildern weiterhin von einem nationalen Fokus geprägt. In der Diktaturforschung gibt es zwar vergleichende Analysen, doch werden gemeinhin der deutsche Nationalsozialismus, der Stalinismus und der italienische Faschismus, miteinander verglichen.

Der in der vorliegenden Arbeit vorgenommene Vergleich der Regime von Ioannis Metaxas und Benito Mussolini scheint ungewöhnlich, haben das ventennio fascista (1922–1943/45) mit der vier Jahre andauernden Königsdiktatur (1936–1941) auf den ersten Blick wenig Ähnlichkeiten. Das Regime des Vierten August hatte nicht die Dynamik des italienischen Faschismus und blieb, trotz der ideologischen Nähe zum Faschismus, mit Großbritannien verbündet. Eine wesentliche Gemeinsamkeit, die doppelte Machtverteilung zwischen Benito Mussolini und König Viktor Emanuel III sowie zwischen Ioannis Metaxas und König Georg II, wurde in der Forschung bisweilen übergangen, eine Forschungslücke, zu deren Schließung diese Dissertation einen Beitrag zu leisten versucht.

Darüber hinaus werden die Propagandamechanismen in Bezug auf die Fotografie erforscht. In Italien wurden Fotografien, meist in Verbindung mit dem 1924 gegründeten Istituto LUCE, gezielt zur Herrschaftssicherung und zur Konstruktion des Duce-Kults eingesetzt. Die Bilder zeigen den italienischen Diktator in seiner typischen Inszenierung: ein entschlossener Gesichtsausdruck, das Kinn stolz nach oben gereckt, unterstrichen von einer theatralischen Gestik. Ioannis Metaxas’ Schwäche als Führungsperson ist hingegen in den Fotografien offenkundig. Da er nicht die charismatische Persönlichkeit Mussolinis besaß, musste sich die Propaganda des Staatssekretariats für Presse und Tourismusauf seine Stärken stützen und vermittelt das Bild eines einfachen, erfahrenen Vaters und Großvaters. So sieht man den ehemaligen Major-General im Anzug und Spazierstock und mit dem Hut winkend auf den faschistischen Gruß seiner Gefolgsleute antworten.

Anhand eines chronologischen Vergleichs der publizierten Fotografien beider Diktatoren kann nicht nur die Entwicklung der politischen Themen, sondern auch die Veränderungen in der Darstellung der Diktatoren, in engem Zusammenhang mit den politischen Ereignissen, erforscht werden. Die zwischen 1922 und 1943 resp. 1936 und 1941 veröffentlichten Fotografien dienen als Quellengrundlage und werden auf ihre Verwendung in der Propaganda der Diktaturen sowie in der Erinnerungskultur bis in die Gegenwart untersucht. Ziel der Arbeit ist herauszufinden, wie und mit welchen Mitteln die politische Inszenierung in den Fotografien umgesetzt wird. Dabei wird untersucht, welche Maßnahmen von welchen Instanzen unternommen wurden, um das Bild der Diktatoren möglichst erfolgreich der Öffentlichkeit zu vermitteln und um den Unrechtscharakter des Regimes zu vertuschen. Die zentralen Themen beider Regime, der Führerkult, die Landwirtschaft, die Antike, die Monarchie und die Inszenierung bei (Massen-)Veranstaltungen werden zunächst in ihrer Gesamtheit analysiert und kontextualisiert. Anschließend wird eine paradigmatische Auswahl von Fotografien in einer ikonografischen Analyse erörtert. In einem Vergleich der Fotografien beider Regime werden visuelle Traditionslinien und Transfers erfasst und einander gegenübergestellt. Das im Bild dargestellte Verhältnis zwischen Diktator und Volk sowie zur Monarchie wird als Ausgangspunkt für die Frage der Stellung der jeweiligen Gruppe im Machtapparat genommen und erweitert damit unsere Sicht auf die Regime und auf die Funktionalisierung der Fotografie in den Diktaturen der Zwischenkriegszeit.

Letzte Ausgaben

 

Hefte ab 150 | Siehe auch: Themen- und Stichwortsuche | Hefte und Einzelbeiträge aus dem Archiv auch als PDF bestellbar.

171

Verletzte Bilder

Anton Holzer, Elmar Mauch (Hg.)

Heft 171 | Jg. 44 | Frühjahr 2024

 
170

Mehr als ein Raum

Das fotografische Atelier: Kunst, Geschäft, Industrie

Anne Vitten (Hg.)

Heft 170 | Jg. 43 | Winter 2023

 
169

Vom Lichtbild zum Foto

Zur westdeutschen Fotoszene der 1950er Jahre

Clara Bolin (Hg.)

Heft 169 | Jg. 43 | Herbst 2023 

 
168

Kritik der Autorschaft

Fotografie als kollektives Unternehmen

Paul Mellenthin (Hg.)

Heft 168 | Jg. 43 | Sommer 2023 

 
167

Artist Meets Archive

Künstlerische Interventionen im fotografischen Archiv

Stefanie Diekmann, Esther Ruelfs (Hg.)

Heft 167 | Jg. 43 | Frühjahr 2023 

 
166

Schreiben über Fotografie II

Steffen Siegel, Bernd Stiegler (Hg.)

Heft 166 | Jg. 42 | Winter 202

 
165

Erinnerung, Erzählung, Erkundung

Fotoalben im 20. und 21. Jahrhundert

Bernd Stiegler, Kathrin Yacavone (Hg.)

Heft 165 | Jg. 42 | Herbst 2022

 
164

Zirkulierende Bilder

Fotografien in Zeitschriften

Joachim Sieber (Hg.)

Heft 164 | Jg. 42 | Sommer 2022

 
163

Black Box Colour

Kommerzielle Farbfotografie vor 1914

Jens Jäger (Hg.)

Heft 163 | Jg. 42 | Frühjahr 2022

 
162

Den Blick erwidern

Fotografie und Kolonialismus

Sophie Junge (Hg.)

Heft 162 | Jg. 41 | Winter 2021

 
161

Norm und Form

Fotoalben im 19. Jahrhundert

Bernd Stiegler, Kathrin Yacavone

Heft 161 | Jg. 41 | Herbst 2021

 
160

Keepsake / Souvenir

Reisen, Wanderungen, Fotografien 1841 bis 1870

Herta Wolf, Clara Bolin (Hg.)

Heft 160 | Jg. 41 | Sommer 2021

 
159

Weiterblättern!

Neue Perspektiven der Fotobuchforschung

Anja Schürmann, Steffen Siegel (Hg.)

Heft 159 | Jg. 41 | Frühjahr 2021

 
158

Die Zukunft der Fotografie

Anton Holzer (Hg.)

Heft 158 | Jg. 40 | Winter 2020 

 
157

Fotogeschichte schreiben. 40 Jahre Zeitschrift Fotogeschichte

Anton Holzer (Hg.)

Heft 157 | Jg. 40 | Herbst 2020 

 
156

Aquatische Bilder. Die Fotografie und das Meer

Franziska Brons (Hg.)

Heft 156 | Jg. 40 | Sommer 2020 

 
155

Wozu Gender? Geschlechtertheoretische Ansätze in der Fotografie

Katharina Steidl (Hg.)

Heft 155 | Jg. 40 | Frühjahr 2020

 
154

Protestfotografie

Susanne Regener, Dorna Safaian, Simon Teune (Hg.

Heft 154 | Jg. 39 | Winter 2019

 
153

Fotografie und Text um 1900

Philipp Ramer, Christine Weder (Hg.)

Heft 153 | Jg. 39 | Herbst 2019

 
152

Fotografie und Design

Linus Rapp,  Steffen Siegel (Hg.)

Heft 152 | Jg. 39 | Sommer 2019

 
151

Nomadic Camera

Fotografie, Exil und Migration

Burcu Dogramaci, Helene Roth (Hg.)

Heft 151 | Jg. 39 | Frühjahr 2019

 
150

Polytechnisches Wissen

Fotografische Handbücher 1939 bis 1918

Herta Wolf (Hg.)

Heft 150 | Jg. 38 | Winter 2018